110 Jahre Elektrische in St. Petersburg

Nur wenige Wochen nach jener in Potsdam, wurde auch in der damaligen russischen Hauptstadt St. Petersburg die elektrische Straßenbahn eröffnet. War es in Potsdam die Wissenschaft, die in Form des Osbervatoriums auf dem Brauhausberg die frühere Einführung verhinderte, so war es in St. Petersburg das Monopol der Pferdebahngesellschaften. Am 29. September 1907 war es jedoch so weit und die ersten Bahnen konnten rollen.

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St. Petersburgs Straßenbahn ist 110 Jahre alt. So verkündeten es diese Aufkleber auf vielen Straßenbahnen der Stadt im September 2017. 

An die Eröffnung der Straßenbahn wurde am vergangenen Wochenende erinnert. Auf dem Kronwerkskij-Prospekt unmittelbar an der Metrostation „Gorkowskaja“ wurden dazu Wagen verschiedener Epochen präsentiert. Da jedoch die Wassilij-Insel, auf der sich die große historische Wagensammlung befindet, derzeit wegen Bauarbeiten vom restlichen Netz getrennt ist, war die Zahl der historischen Wagen begrenzt. Für Straßenbahnfreunde sollte aber auch der Einblick in den sehr bunten aktuellen Wagenpark von Interesse sein. Hier nun ein paar Bilder vom Einrücken der Wagen am Abend des 30. September 2017 zwischen 16 und 17:30 Uhr. Wir zeigen die Wagen in chronologischer Reihenfolge an der Kreuzung Kronwerkskij-Prospekt / Kamenoostrowskij-Prospekt.

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Den Anfang macht der Einrichtungs-Ganzstahlwagen 2575 vom Typ MS-4 aus dem Baujahr 1932. Wagen dieses Typs (mit verschiedenen Modifikationen) prägten über Jahrzehnte das Bild der Leningrader Straßenbahn. Noch weit bis in dieses Jahrtausend hinein war eine große Zahl weiterhin als Arbeitswagen im Einsatz.
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Aus einem eben solchen Arbeitswagen entstand nicht nur der oben gezeigte Wagen Nr. 2575, sondern auch MS-4 Nr. 2424 von 1933. Der Wagen zieht den Retro-Pferdebahnwagen 114.
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Für die ersten Neubaufahrzeuge der Nachkriegszeit stehen die Großraumwagen der Baureihe LM-49 (Tw) und LP-49 (Bw). Hier der einzige in St. Petersburg erhaltene Zug seiner Art: Triebwagen 3691 von 1950 zieht den Beiwagen 3990 (Baujahr 1965). Der Triebwagen entstand aus einem Gleisbauwagen, der Beiwagen hatte tatsächlich im Originalzustand überlebt. Beide wurden zum Jubiläum 1997 wieder hergestellt.  
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Nicht ganz chronologisch folgt hier ein neu aufgebauter Retrowagen mit der Nummer 5000, der als rollendes Café genutzt wird. Er soll an die stilvollen LM-57 der 1950er Jahre erinnern und wurde im September 2014 fertig. Bis auf die fehlende Mitteltür entspricht er äußerlich ziemlich genau seinen Vorbildern. Die offizielle Typenbezeichnung ist allerdings TS-76 und technisch entspricht er eher den LM-68M. Auch ein originaler LM-57 (Nr. 5148) ist noch vorhanden.
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Weiter geht es bereits mit dem aktuellen Wagenpark. Wegen der Rekonstruktion der Tutschkow-Brücke endet die Linie 6 derzeit vom Finnischen Bahnhof kommend stumpf am Kronwerkskij-Prospekt. Um den Tramverkehr nicht gänzlich einstellen zu müssen, wurden extra fünf Arbeitswagen vom Typ 71-88G und einer vom Typ PR zu Linienfahrzeugen hergerichtet. Bei den Dienstwagen handelte es sich ursprünglich um Zweirichtungs-LM-68M (der Standart-Vierachsertyp der 1970er-2000er Jahre). Die Wagen erhielten modernisierte Fronten, einen aufgefrischten Salon und eine modernisierte Fahrerkabine. Hier sehen wir 3610 (ex 1703). Im Schlepptau hat er (ganz wie zu Arbeitswagen-Zeiten) den LM-2008 Nr. 1432.
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Ebenfalls modernisiert ist dieser Vertreter der derzeit größten Wagengruppe in St. Petersburg – der LWS-86 Nr. 3059. Er stammt aus dem Jahre 1992. Dieser rustikale Gelenkwagen ist derzeit noch mehr als 350 mal vorhanden. Viele Wagen wurden inzwischen einer Generalüberholung unterzogen.  
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Als Generalüberholung bezeichnet und doch eigentlich ein Neubau ist dieser Wagentyp mit der Bezeichnung LM-68M2. Der Name sagt es schon, ein paar Reste der früher zu Hunderten in der Stadt vorhandenen Vierachser LM-68M sind hier noch verbaut worden. Von „modernisierten“ LM-68M gibt es übrigens einige Varianten, …  
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… eine weitere fährt hier. Taufrisch aus der Fabrik ist 7568 hier auf seiner ersten öffentlichen Fahrt. Während 5409 oben noch in modernem Design auftritt, ist ein großer Teil der LM-68M2 eher im Retro-Look gehalten und soll ebenfalls an die LM-57 erinnern, wie zuvor schon Wagen 5000.
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Nachdem die St. Petersburger Straßenbahnfabrik PTMZ im Jahre 2013 in Insolvenz gegangen war, musste sich der Verkehrsbetrieb nach Jahrzehnten erstmals wieder außerhalb der Stadt nach Neuwagen umsehen. Fündig wurde man zunächst in Ust-Katav, wo man 2014 ganze drei Vierachser beschaffte. Darunter auch Nr. 7503.
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Bereits zwei Jahre zuvor war man bereits auf Einkaufstour im Ausland unterwegs. Das Ergebnis waren drei niederflurige Zweirichtungsgelenkwagen der weißrussischen Firma „Belkommunmasch“, die vor allem auf der zentralen Linie 3 zum Einsatz gelangen.
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Ebenfalls im Ausland – diesmal bei der Firma Alstom – erwarb St. Petersburg vier dieser dreiteiligen Niderflurwagen. Hier das älteste Exemplar, Wagen Nr. 8901 von 2014.
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Aus „heimischer“ Produktion stammt hingegen Wagen 7512, ein „falscher Zweirichter, der nur einen Führerstand aufweist und im Bedarfsfall mit einem Schwesterfahrzeug Heck-an-Heck gefahren wird. Vier dieser Wagen gibt es in St. Petersburg. Sie wurden von der Oktober-Waggonfabrik in der Stadt gefertigt. Der Betrieb baut und überholt eigentlich Metrowagen, hat solche Aufgaben in letzter Zeit aber auch für den Straßenbahnbetrieb übernommen. 
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Und der Fahrzeugreigen ist noch nicht zu Ende. Mit Wagen 5230 rollt wieder ein Produkt der Waggonfabrik Ust-Katav heran. Dieser niederflurige Zweirichtungswagen kommt sonst zumeist auf der Linie 48 zum Einsatz und stammt von 2017.
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Beim letzten Neuwagen kam wiederum die Waggonfabrik in Tver zum Zuge. Von ihrem niederflurigen Dreiteiler „Witjas“ (dt. „der Recke“), konnte sie bisher zehn Fahrzeuge nach St. Petersburg absetzen (mehr wurden bisher auch nicht gebaut). Auch Nr. 0109 ist noch kein Jahr alt.

 

 

 

 

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